Entwicklung eines projektiven Verfahrens - im kollegialen Austausch im Internet

                                     
         
   

Identifikations-Projektions-Serien als Arbeitsmittel für Psychotherapie und Beratung (I-P-S)

Die Wiedergaben von Kunstwerken eignen sich in besonderer Weise, denn sie wirken auf viele Menschen wie ein Speicher psychischer Energien des Künstlers, die sie nun nachempfinden können. Zugleich kann ein Kunstwerk sich für den Betrachter zu einem Instrument entwickeln, mit dessen Hilfe die eigenen psychischen Energien zum Klingen gebracht werden können. Es kommt zu Identifikationen und Projektionen mit den dargestellten Personen und zu sichtbaren Reaktionen von Freude, aber auch von Trauer oder Angst. Daraus ist die Arbeitsbezeichnung I-P-S abgeleitet.

Die hier vorgeschlagene Begrenzung auf 40 Bildkarten hat sich als Erfahrungswert in den Psychotherapie-Sitzungen gezeigt, die in der Regel einen Zeitrahmen von 50 Minuten haben. Sie haben das Format von Postkarten A 6. Für die Dauer der Betrachtung der einzelnen Bilder mache ich dem Patienten keine Vorgaben. Meine Auswahl aus einem Fundus von inzwischen 88 Bildern richtet sich nach den bisher in der Therapie angesprochenen Themen, den daraus entstandenen Hypothesen und dem Maß an Vertrauen oder der noch bestehenden Zurückhaltung des Patienten. Dabei zeichnet ein Kartensatz die weibliche Sozialisation nach und enthält Bilder von weiblichen Kindern und Jugendlichen und von Frauen verschiedener Altersstufen und Lebenskonstellationen. Ein zweiter Kartensatz ist auf den Lebenslauf von Männern zugeschnitten. Beide Kartenserien enthalten auch Bilder von Paaren, von Landschaften, von Städten. Die Themen der Karten wurden so gewählt, dass sich darunter etliche befinden, die einen dramatischen Konflikt zwischen Eltern und Kindern, zwischen Mann und Frau oder zwischen Freunden im Verlauf von Kindheit, Jugend, Reife und Alter wiedergeben. Etwa die Hälfte der verwendeten Karten zeigt Bilder von Zufriedenheit, Erfolg, Harmonie, von Zärtlichkeit und Liebe.

Die Bilder können zu Beginn der Therapie vorgeschlagen werden, immer dann, wenn es dem Patienten schwer fällt, seine gegenwärtige Situation und seine Wünsche an das Ergebnis einer Therapie in konkrete Worte zu fassen. Sie eignen sich auch bei Patienten, die den Möglichkeiten einer Therapie eher skeptisch gegenüberstehen, von einem Überwiegen organischer Ursachen ihrer Symptomatik überzeugt sind und nur dem Hausarzt zuliebe vorstellig geworden sind. Die Bilder sind dann eine schöne Möglichkeit, den engen Zusammenhang von Gefühlen und körperlichen Reaktionen mit äußeren Ereignissen erlebbar werden zu lassen. Zugleich wecken die Bilder – vor allem bei zunächst sehr verschlossenen Menschen - die Neugier auf die weitere Arbeitsweise des Therapeuten und sie lösen oft ein bis dahin nicht gezeigtes Mitteilungsbedürfnis aus.

Wenn ich den Zeitpunkt dafür für geeignet halte, mache ich einen Vorschlag. Ich bitte darum, die Bilder nacheinander in Ruhe anzusehen und leite den Patienten an, dabei auf Veränderungen seiner Stimmung und seiner Empfindungen zu achten. Bilder, die ein Gefühl oder eine Erinnerung wachrufen, werden auf einen Stapel gelegt. Bilder, die als neutral oder bedeutungslos empfunden werden, kommen auf einen anderen Stapel. Nachdem alle Karten zugeordnet sind, bitte ich den Patienten zu den für ihn bedeutsamen Bildern etwas zu sagen, sowohl über seine Assoziationen wie über vielleicht dabei erlebte körperliche Reaktionen. Als sehr ergiebig und am leichtesten die Mitarbeit des Klienten gewinnende Variante hat sich bisher die Aufforderung erwiesen, den Stapel der individuell bedeutsamen Bilder auf drei weitere Felder zu verteilen. Diese Felder symbolisieren „Vergangenheit“, „Gegenwart“ und „Zukunft“. Je nach der Zielstellung des Patienten, dem Stand der Therapie und den Hypothesen, die ich über den Patienten habe, schlage ich nur zwei Felder vor: „Gegenwart“ und „Zukunft“. Mögliche Sortierungen sind auch „Innen und Aussen“, „Therapiestunde“, „Wunsch und Wirklichkeit“ usw. Gegen Ende einer solchen Stunde der Bildbetrachtungen relativiere ich das Geschehen. Ich räume ein, dass die angebotene Bildkartei eben eine Auswahl ist. Dann schlage ich vor, zu Hause zu suchen, nach Fotos oder nach Postkarten oder nach Abbildungen aus Zeitschriften, die vielleicht treffender etwas von den Themen wiedergeben, die den Patienten beschäftigen. Diese Bitte wird fast immer erfüllt, oft mit Eifer und Entdeckerfreude. Diese Suche stärkt bei vielen Patienten das Gefühl von der eigenen Fähigkeit zu neuen Erkenntnissen zu kommen. Sie verstärkt das Gefühl der Gleichrangigkeit, der Kooperation und Beteiligung an einer Arbeit, die ihnen selbst, aber auch dem Behandler und künftigen Patienten zugute kommen kann und erfüllt sie oft mit Stolz und Zufriedenheit. Auf diese Weise hat sich die Bildersammlung erweitert. Mitunter bitten Patienten in der Folgestunde spontan darum, nun auch diejenigen Bilder anzusehen, die sie zunächst als unpassend oder bedeutungslos für sich weggelegt hatten. Die Patienten haben über die Registrierung ihrer Körperempfindung ihre Ambivalenz zu manchen Themen erlebt und sind nun bereiter sich damit auseinanderzusetzen.

Protokollierung der Reaktionen auf die Bild-Serien – nonverbale und verbale Äußerungen:

Zeitdauer: - bis zum Zuordnen des Bildes (A) - des Sprechens und Nachsinnens über das Bild (B)
Atem: schneller, lauter hörbarer,
Augen: Pupillen, Lidschlag häufiger, Schreck-Reflex, Feuchtigkeit, Tränen,
Haut: Rötung, Blässe, Flecken
Mimik: lächeln, staunen, erschrecken,
Stimme: lauter, leiser, belegt, zitternd,
Hände: zugreifend, abweisend, unruhig,
Körperhaltung: abwendend, hinwendend,

Inhaltsanalyse: verschiedene Möglichkeiten, je nach theoretischer Ausrichtung des Anwenders,
z.B.: Leistung/Macht/Anschluß (D.McClelland)/ Furcht vor /Hinwendung zu (Kurt Lewin) /
vermutete Abwehrformen / Wunsch – Reaktion des Objekts – Reaktion des Subjekts ( L.Luborsky)


Nutzung der Karten als Mittel der Bekräftigung der Therapieziele

Unmittelbar im Anschluß an das Ordnen der Karten nach den Gesichtspunkten der persönlichen Berührtheit, der Nähe zu eigenen Erfahrungen, Wünschen, Ängsten, Hoffnungen, Interessen fordere ich den Patienten auf, jeweils drei Bilder auszuwählen, deren Themen für ihn am bedeutsamsten für die Gegenwart sind und drei weitere Bilder, die seinen Vorstellungen von der Zukunft am meisten nahe kommen. Schließlich bitte ich darum, zu versuchen, sich für jeweils ein Bild zu entscheiden, eines für die Gegenwart und eines für die Zukunft. Der Beobachtung des Patienten bei seinem Vorgehen des Abwägens, des Suchens und schließlich des Entscheidens für einige wenige Bilder führt zu zusätzlichen Anhaltspunkten über Ambivalenzen, Rangreihen und Entscheidungsängste. Die auf diese Weise gewählten Bilder reproduziere ich dann mit dem Farbdrucker und übergebe sie dem Patienten mit dem Vorschlag, sie zu Hause an einen Ort zu legen, der ihm täglich in den Blick fällt. In der Folgestunde frage ich dann nach, wo diese Bilder nun liegen und ob er bewußt einen guten Ort für diese Bilder gesucht hat. Möglich ist auch, diese Bilder im Spielkartenformat oder im Visitenkartenformat auszudrucken und im Taschenkalender einzulegen oder in der Geldbörse bei sich zu haben. Wenn es gelingt, für dieses Vorgehen die Resonanz im Patienten. zu wecken, können diese Formen der Selbstverstärkung sehr wirkungsvoll sein. Analytiker würden solche Bilder nun vielleicht Übergangsobjekte nennen und darauf hinweisen, dass sie zu einer eher kindlichen Phase der Individualentwicklung gehören. Verhaltenstherapeuten würden von Konditionierung und kognitiver Umstrukturierung sprechen. Hypnotherapeuten würden dieses Vorgehen möglicherweise in die Nähe posthypnotischer Aufträge und Selbstsuggestionen rücken.

 

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